Gemeindegeländer

Einige Gedanken zum Tarsdorfer Gemeindegeländer

Benachbart vom Gemeindeamt, Schule, Kirche mit Friedhof, Feuerwehr und Kindergarten ist im Ortzentrum auf der abgestuften Granitmauer über Nacht ein höchst anspruchsvolles Ziergeländer entstanden. 

Viele mögen dies so empfunden haben.

Dass diesem Werk ein langer Gedankenprozess mit Entwicklungsarbeit vorausgegangen ist, wissen nur Insider.

Bei allen Völkern und zu allen Zeiten waren Gemeinschaftswerke nicht selten Träger kultureller und religiöser Botschaften. Sodass oftmals aus einem Handwerk ein Kunstwerk wurde.

Beim Tarsdorfer Gemeindegeländer war es ähnlich.

Entsprechend der bedeutenden Situierung musste ein Gedanke gewählt werden, der einerseits lebensbejahend sein sollte und andererseits auch das Sterben mit einbezog. Nach langem hin und her, entschieden sich die Geländergestalter für den vieldeutbaren Begriff „Zeit“:

 

Dieser Gedanke sollte nach Auffassung der Verantwortlichen im Geländer in Metallsymbolen seinen Ausdruck finden. Diese Symbolsprache sollte aber jedermann verstehen und auf seine Weise auslegen können. Bei der Symbolfindung standen viele Gedanken....

Zuerst Bibel-Zitate und bekannte Sprichwörter, z.B.:

  • "Alles hat seine Zeit."
  • "Schafft, solange es Tag ist."
  • "Gott schuf die Zeit, von Eile hat er nicht gesprochen."

Ein Blick in den Brockhaus: "Der Zeitfluss wurde ursprünglich ausschließlich vom Lauf der Sonne bestimmt. Erst als der Mensch die Zeitmesser erfand, kamen neue Zeitbegriffe in Umlauf. Nicht alle gereichten den Menschen zum Segen. Begonnen hat es mit der Sand-, Wasser- und Sonnenuhr. Sie waren Vorläufer der Räderuhren und der heutigen Quarz- und Atomuhren."

 

Auf diesem Weg hat sich der Begriff Stunde bis heute erhalten und nicht an Bedeutung  verloren – trotz Nanosekundenrausch und Ähnlichem. (Es wird z.B. noch immer nach Stunden bezahlt.) Der Begriff Stunde existiert seit der Antike und wurde schon damals als Zeitmaß verwendet. Das Wort Uhr wurde dem lateinischen Wort hora (eben die Stunde) entlehnt. – Also, was soll man da noch weitersuchen. Die Uhr als ein Zeitmesser und die Sonne als Grundlage allen Zeitmaßes sollten unsere Geländersymbole werden. Wenn möglich sollte das gesamte Geländer darüber hinaus auch etwas über Wachstum und Leben erzählen. Ob dies im „Kunstwerk“

Symbolisch sichtbar geworden ist, muss jeweils der Einzelne für sich entscheiden.

Nun zur eigentlichen Beschreibung des Gemeindegeländers aus der Sicht der Tarsdorfer Gestalter:

Das Gitterwerk besteht grundsätzlich aus zwei Teilen.

Das Geländer, das formal vollendet mit der abgestuften Granitmauer verbunden ist, wird durch Zeitblumensäulen (Metallsymbole) in Felder unterteilt. Diese Gitterfelder erinnern durch die gebogenen Stäbe an Grashalme, die sich neigen und sich in der Gehrichtung (Zeitenfluss) auf den Stiegenaufgang zu bewegen. Die einen von links, die anderen von rechts. Selbst die Gedenktafel auf der linken Seite wurde belassen und die Symbolsprache einbezogen: Die Zeitblumensäulen schwingen harmonisch mit den Grashalmen. Sie stehen ebenso im Fluss der Zeit, dem sie sich angleichen und zugleich widersetzen. Erst im Blumenhals findet der Säulenstab wieder in die aufrechte Haltung zurück. Auf diesem Hals sitzt das Blumengesicht: „Ein Zifferblatt ohne Zeiger und Uhrwerk – einzig die Stundenteilung ist erhalten! – Mit ihr die erste Botschaft: Beachtet wieder die Stunde als Zeitmaß, fügt sie zu Tagesteilen zusammen. Unsere Vorväter teilten den Tag in erster Linie in Arbeits- und Gebetszeiten. Welch eine edle Lebenseinstellung. Wenn nur ein Teil davon in unsere heutige Zeit für uns herüber gerettet werden könnte!

Nun zurück zum Ziffernblatt: Die weltberühmte Daliuhr, deren Schöpfer der spanische Maler Salvadore Dali war, macht uns deutlich, dass wir hoffnungslos vergänglich sind. Im Gegensatz die Tarsdorfer Geländersymbole. Sie ermutigen uns zum Leben – zum derzeitigen und zum ewigen. Dieses Symbol soll uns zum Denken anregen und helfen, die einen von der Sekundenhetze zu befreien, andere wiederum vom Müßiggang abzuhalten., wiederum andere zu einer großzügigen Zeitauffassung bzw. Einteilung zu führen – jeweils der Person und dem Alter gemäß.

 

Spätestens, wenn wir zu den Sonnensäulen gelangen, die als Geländerabschluss und als Treppenbekrönung gedacht sind, fällt uns auf, dass Zeitpunkte und Termine in der Symbolgestaltung keinen Niederschlag gefunden haben! Soll das Verweilen und Rasten, das wir zweifelsohne mehr denn je benötigen, die Devise der Gegenwart sein? Eine Zeigerspitze im Metallsonnenkranz erinnert uns im letzten Moment, dass es doch Termine gibt und geben muss. Und wer glaubt, es gelte für ihn nicht, der irrt. Geburt und Tod sind zwei, die uns unausweichlich vorbestimmt sind. Und was wir zwischen diesen beiden Terminen an Gutem schaffen, hat wohl auch mit dem Begriff Zeit zu tun!

In diesem Sinne wurde das Tarsdorfer Geländer geschaffen. Es soll zum Innehalten anregen und zum Verweilen oder Weitergehen ermutigen.

Uns, und die nach uns kommen.